KI in der Demokratie: Chancen, Risiken und politische Auswirkungen
Wie Algorithmen politische Meinungen beeinflussen
Lesezeit: 5 Min.
Publikation: 20. November 2025, Jessy Thür
Publikation: 20. November 2025, Jessy Thür
In unserer digitalisierten Welt spielt Künstliche Intelligenz (KI) mittlerweile eine zentrale Rolle – auch in der politischen Meinungsbildung. In der Schweiz wirft dieser Einfluss zunehmend Fragen zur Demokratie auf: Können Algorithmen unsere politische Meinung verzerren? Welche Risiken entstehen? Und wie kann man dem entgegentreten?
Der Einfluss von KI auf politische Meinungen: Mechanismen und Risiken
Überzeugung durch Chatbots:Eine Studie der EPFL Lausanne zeigt: KI-Textmaschinen können in politischen Debatten sogar überzeugender sein als Menschen – insbesondere, wenn sie persönliche Details über die Gesprächspartner kennen. Solche Chatbots können gezielt Argumente platzieren, Debatten steuern oder Themen hervorheben, um Meinungen subtil in eine bestimmte Richtung zu lenken.
Verzerrung durch Empfehlungsalgorithmen:
Algorithmen steuern, was wir online sehen – von sozialen Medien bis Suchmaschinen. Laut AlgorithmWatch Schweiz besteht die Gefahr, dass generative KI-Inhalte produziert, die falsch, irreführend oder veraltet sind – gleichzeitig vermittelt sie den Eindruck von Autorität. Wenn solche Inhalte über Plattformen weit verbreitet werden, kann das die öffentliche Diskussion tiefgreifend beeinflussen.
Manipulation von Wahlberatungstools
Auch in etablierten demokratischen Instrumenten wie Voting Advice Applications (VAAs) droht Einfluss durch KI. Forschende haben gezeigt, dass manipulative Strategien die Empfehlungen von Apps wie Smartvote signifikant verändern können. Solche Tools werden in der Schweiz häufig genutzt, um Wählern Orientierung zu bieten. Ein verzerrter Algorithmus könnte also indirekt Wahlentscheidungen beeinflussen.Bias in Sprachmodellen
Grosse Sprachmodelle wie ChatGPT sind nicht politisch völlig neutral. Forschende der Schweiz haben gezeigt, dass LLMs politische Verzerrungen aufweisen können – etwa eine Tendenz zu bestimmten Ideologien. Solche Biases können sich in Antworten auf politische Fragen manifestieren und so die politische Meinungsbildung beeinflussen.Beispiel Schweiz: Experiment mit ChatGPT und LLaMA
Ein anschauliches Beispiel liefert ein Experiment der ETH Zürich: KI-Modelle wie ChatGPT 4 und LLaMA 2 wurden gebeten, über städtische Projekte abzustimmen (z. B. ein autofreies Quartier oder ein Festival in Zürich). Die KI traf deutlich gleichförmigere Entscheidungen als Menschen und zeigte eine starke Tendenz zum „Mainstream“.Die Forschenden argumentieren, dass die Schweiz mit ihren häufigen Volksabstimmungen ein „ideales Testgelände“ ist, um KI-Agenten zu integrieren. Theorie: Ein solches KI-Tool könnte Bürgern bei informierten Entscheidungen unterstützen – etwa durch ein digitales Abstimmungsbüchlein, das erklärt, worum es in den Vorlagen geht. Doch gleichzeitig warnt die Studie: Ohne menschliches Mitwirken („human-in-the-loop“) besteht das Risiko, dass die KI Meinungen homogenisiert und Minderheiten weniger sichtbar macht.
Gesellschaftliche und politische Reaktionen in der Schweiz
Regulierung gefordert:Organisationen wie AlgorithmWatch Schweiz fordern mehr Transparenz und klare Spielregeln für KI-Systeme. In ihrem Leitfaden fordern sie u.a. die Offenlegung von Algorithmen, Deklarationspflichten und den Schutz von Grundrechten – gerade weil KI zunehmend Einfluss auf öffentliche Diskurse nimmt.
Gesellschaftliches Bewusstsein
Projekte wie „Stories of the Future“ vom Albert Hirschman Centre on Democracy binden vor allem Jugendliche in Diskussionen über KI und Demokratie ein. Ziel ist es, das Bewusstsein für die potenziellen Risiken von Algorithmen zu stärken und gleichzeitig junge Menschen zu befähigen, aktiv an der Gestaltung demokratischer Prozesse mitzuwirken.Wie KI die Meinungsbildung in der Schweiz prägt
Künstliche
Intelligenz hat das Potenzial, die demokratische Meinungsbildung in der Schweiz
nachhaltig zu beeinflussen – sowohl positiv als auch negativ. Einerseits kann
KI helfen, Informationen aufzubereiten, Entscheidungsprozesse zu unterstützen
und Bürger besser einzubinden. Allerdings drohen Verzerrungen: durch
manipulative Chatbots, voreingenommene Sprachmodelle oder intransparente
Empfehlungsalgorithmen.
Entscheidend ist daher eine ausgewogene Regulierung: Transparenz, Verantwortung der Entwickler und aktive Beteiligung der Zivilgesellschaft sind unverzichtbar. Die Schweiz befindet sich in dieser Debatte bereits mittendrin – mit gesellschaftlichen Initiativen, politischen Forderungen und wissenschaftlichen Studien, die zeigen: KI ist mehr als ein technologisches Thema – sie ist ein demokratisches.
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«digitaljournal.ch»

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