Wie Schweizer Firmen digital arbeiten
Digitalisierung – mehr als nur Technik
Lesezeit: 4 Min.Publikation: 03. Oktober 2025, Jessy Thür
In der öffentlichen Wahrnehmung scheint Digitalisierung oft ein rein technisches Thema zu sein: neue Software, moderne Tools, Cloudlösungen oder gar künstliche Intelligenz. Doch in der Realität bedeutet Digitalisierung für Schweizer Firmen weit mehr. Es geht um strategische Weichenstellungen, veränderte Arbeitsweisen, neue Formen der Zusammenarbeit – und um die Frage, wie gut ein Unternehmen darin ist, Wandel aktiv zu gestalten. Wie also steht es wirklich um die digitale Arbeitsweise in der Schweiz?
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Eine umfassende Studie der Berner Fachhochschule in Zusammenarbeit mit SwissICT zeigt: Nur etwa ein Drittel der Schweizer Unternehmen ist in der digitalen Transformation wirklich auf Kurs. Die übrigen zwei Drittel kämpfen entweder mit einzelnen Herausforderungen oder befinden sich erst am Anfang ihrer digitalen Reise. Besonders kritisch ist, dass viele Unternehmen zwar digitale Technologien einsetzen, jedoch kaum eine übergreifende Strategie oder ein strukturiertes Transformationsmanagement verfolgen. Digitalisierung geschieht oft punktuell – sei es durch die Einführung eines neuen CRM-Systems oder durch die Automatisierung einzelner Prozesse, ohne jedoch die grundlegenden Geschäftsmodelle oder Organisationsstrukturen zu hinterfragen. Diese strategische Lücke zieht sich durch viele Unternehmen, vor allem bei kleinen und mittleren Betrieben. Zwar investieren auch KMU zunehmend in digitale Tools, doch fehlt es häufig an klaren Zielvorgaben, messbaren Erfolgsfaktoren und einer konsequenten Führung im Wandel. Während grössere Firmen oft eigene Digital-Units oder Transformationsbeauftragte einsetzen, werden diese Aufgaben in kleineren Betrieben meist nebenbei von der Geschäftsleitung mitgetragen – was in der Praxis oft zu Überforderung und langsamen Fortschritten führt.Branchen und Grössen machen den Unterschied
Ein Blick auf verschiedene Branchen zeigt deutliche Unterschiede. Unternehmen aus der Finanzbranche, der Telekommunikation oder den Medien sind deutlich weiter fortgeschritten als etwa das verarbeitende Gewerbe, die Bauwirtschaft oder das Gesundheitswesen. Besonders in traditionellen Branchen fällt es schwer, neue digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln oder bestehende Prozesse radikal neu zu denken. Oft stehen bewährte Abläufe, regulatorische Vorgaben oder schlicht fehlendes Know-how im Weg.Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Unternehmensgrösse. Laut Erhebungen der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich sind es vor allem kleine Unternehmen mit unter 50 Mitarbeitenden, die sich schwer damit tun, digitale Technologien umfassend zu integrieren. Ihnen fehlen häufig nicht nur die finanziellen Mittel, sondern auch die personellen Ressourcen und das Fachwissen, um grössere Digitalisierungsvorhaben strategisch umzusetzen. Während grosse Unternehmen auf datenbasierte Entscheidungen, KI-Anwendungen und Prozessautomatisierung setzen, bleibt Digitalisierung in KMU oft auf die Digitalisierung von Papierprozessen oder den Einsatz von Standardsoftware beschränkt.
Wo Schweizer Firmen ansetzen – und wo sie scheitern
Viele Schweizer Unternehmen setzen ihren Fokus derzeit auf die Optimierung interner Abläufe. Digitale Lösungen für Buchhaltung, Logistik oder Kundenkommunikation sind mittlerweile weit verbreitet. Auch hybride Arbeitsmodelle, insbesondere seit der Corona-Pandemie, haben sich in vielen Bereichen etabliert. Doch jenseits der reinen Prozessdigitalisierung zeigen sich Schwächen: So sind Daten häufig nicht strukturiert verfügbar, IT-Systeme schlecht integriert, und eine durchgängige digitale Wertschöpfungskette ist eher die Ausnahme als die Regel.Hinzu kommt die kulturelle Dimension. Digitalisierung verlangt nicht nur neue Tools, sondern auch neue Denkweisen. Mitarbeitende müssen lernen, mit Veränderung umzugehen, agil zu arbeiten und digitale Kompetenzen kontinuierlich auszubauen. Doch dieser Kulturwandel stösst oft auf Unsicherheit, Widerstand oder schlicht Überforderung – speziell, wenn die nötige Weiterbildung fehlt oder Führungspersonen den Wandel nicht aktiv begleiten.
Fazit: Digitalisierung beginnt im Kopf
Die Digitalisierung der Schweizer Wirtschaft ist kein Selbstläufer. Zwar sind viele Unternehmen auf dem Weg, doch Tempo und Tiefe der Transformation sind sehr unterschiedlich. Besonders kleine und mittlere Unternehmen benötigen gezielte Unterstützung, sei es durch staatliche Förderungen, Bildungsinitiativen oder strategische Partnerschaften. Entscheidend wird sein, ob es gelingt, Digitalisierung nicht als reines IT-Projekt, sondern als unternehmensweite Veränderung zu verstehen.Wer den Wandel als strategische Aufgabe begreift und seine Organisation entsprechend ausrichtet, hat die besten Chancen, auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben.
Bitte beachten Sie, dass alle Angaben ohne Gewähr sind und Änderungen vorbehalten bleiben. Wir empfehlen, aktuelle Informationen direkt auf den jeweiligen Webseiten einzusehen.
Quellen:
- BFH/swissICT: Digital Excellence Report 2023
- KOF
ETH Zürich: Digitalisierung – werden kleine Unternehmen abgehängt?
«digitaljournal.ch»
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