KI in der Schweizer Wirtschaft: Fortschritt oder Hype?
Digitalisierung in der Praxis
Lesezeit: 4 Min.
Publikation: 20. August 2025, Jonathan Schönholzer
In den letzten Jahren hat künstliche Intelligenz (KI) weltweit für enorme Aufmerksamkeit gesorgt. Täglich erscheinen neue Tools, Start-ups und Technologien, die versprechen, Prozesse zu automatisieren, Produktivität zu steigern und ganze Branchen zu transformieren. Auch in der Schweiz ist das Thema in aller Munde, doch wie viel davon ist realer Fortschritt und wie viel bleibt Wunschdenken?
Eine kürzlich erschienene Studie der ETH Zürich zeigt ein gemischtes Bild: Während das öffentliche Interesse an KI boomt und politische Akzente wie der Aufbau des Swiss National AI Institute und die geplante KI-Regulierung klare Zeichen setzen, ist die tatsächliche Verbreitung von KI in Schweizer Unternehmen noch eher verhalten.
KI-Einsatz in Schweizer Firmen: Zwischen Pioniergeist und Zurückhaltung
Vor allem grosse Unternehmen in der Finanz- und Techbranche arbeiten intensiv an KI-Anwendungen, häufig in Bereichen wie automatisierte Kundeninteraktion, Risikobewertung oder Betrugserkennung. Doch ein grosser Teil der Schweizer Wirtschaft, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen sowie Industriebetriebe, steht dem Thema noch skeptisch gegenüber. Laut dem „Swiss AI Report 2023“ nutzen nur etwa 38 % der befragten Unternehmen aktiv KI-Technologien. Ganze 62 % gaben an, noch keinerlei KI im Betrieb einzusetzen.
Die Gründe dafür sind vielfältig: Datenschutzbedenken, fehlende interne Expertise, hohe Kosten und Unsicherheiten hinsichtlich Regulierung zählen zu den häufigsten Hürden. Hinzu kommt, dass viele Firmen gar nicht wissen, wie sie KI sinnvoll und zielgerichtet in ihre Geschäftsprozesse integrieren können.
Pilotprojekte statt flächendeckender Transformation
Wo KI eingesetzt wird, handelt es sich häufig noch um Pilotprojekte oder begrenzte Anwendungen. Ein Beispiel: In der verarbeitenden Industrie wird maschinelles Lernen gelegentlich zur Qualitätskontrolle oder zur Wartungsprognose eingesetzt, jedoch selten flächendeckend oder strategisch verankert. In vielen Fällen fehlen standardisierte Prozesse, Langzeiterfahrungen oder die nötige technische Infrastruktur.
Diese Realität steht im Gegensatz zum öffentlichen Hype rund um generative KI, wie ChatGPT oder Midjourney, die vielen Unternehmen zumindest theoretisch neue Möglichkeiten eröffnen könnten, z. B. im Kundenservice, im Marketing oder bei der Content-Produktion. Dennoch zeigt sich: Der Schritt von der Begeisterung über neue Tools zur nachhaltigen, produktiven Nutzung ist komplexer, als es auf den ersten Blick scheint.
Was braucht es für den KI-Durchbruch in der Schweiz?
Um KI wirklich in der Breite der Schweizer Wirtschaft zu etablieren, braucht es gezielte Investitionen in Ausbildung, Forschung und Infrastruktur. Gleichzeitig ist auch politische Klarheit wichtig, zum Beispiel durch die angekündigte sektorenspezifische Regulierung, die Vertrauen schaffen kann. Ebenso entscheidend ist eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Forschungseinrichtungen, Start-ups und etablierten Unternehmen, um Know-how zu teilen und Innovation zu beschleunigen.
Besonders KMU benötigen niederschwellige Einstiegsmöglichkeiten, praxisnahe Schulungen und finanzielle Anreize, um das Potenzial von KI für sich zu entdecken. Denn gerade sie bilden das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft, und könnten durch KI an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen, wenn sie den richtigen Zugang finden.
Die Schweiz ist in Sachen KI gut aufgestellt, mit starken Hochschulen, innovativen Unternehmen und wachsendem politischen Engagement. Doch zwischen dem Potenzial von KI und ihrer tatsächlichen Umsetzung in der Wirtschaft klafft noch eine Lücke. Es liegt nun an Politik, Forschung und Wirtschaft gemeinsam, diese zu schliessen, damit aus Hype reale Wertschöpfung wird.
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