Digitale Ethik in der Schweiz
Wer trägt Verantwortung für Algorithmen?
Lesezeit: 4 Min.
Publikation: 15. Oktober 2025, Jessy Thür
Algorithmen
nehmen in der Schweiz immer stärker Einfluss auf Alltag, Wirtschaft und
öffentliche Verwaltung. Zum Beispiel in Bereichen wie Arbeitsmarktprofiling,
Kreditvergabe, Gesichtserkennung oder Chatbots. Doch wer ist verantwortlich,
wenn diese Systeme Fehler machen, diskriminieren oder ethische Grenzen
überschreiten?
Rechtlicher Rahmen in der Schweiz
- Kein
spezifisches KI-Gesetz – bisher
Die Schweiz verfügt (Stand Mitte 2025) noch über kein übergreifendes Gesetz, das alle Aspekte von KI speziell reguliert. Der Bundesrat hat aber eine Auslegeordnung zu möglichen Regulierungsansätzen beschlossen und verschiedene Departemente beauftragt, bis Ende 2026 eine Vernehmlassungsvorlage zu erarbeiten, die etwa Transparenz, Datenschutz, Nichtdiskriminierung und Aufsicht umfassen soll.
- Datenschutzgesetz
(DSG)
Seit September 2023 gilt ein revidiertes Datenschutzgesetz, das technologieneutral formuliert ist. Obwohl es kein KI-spezifisches Regelwerk ist, enthält es bereits relevante Pflichten für Entwickler, Anbieter und Nutzer, zum Beispiel Transparenzpflichten, Pflichten zur Nutzung personenbezogener Daten und Einschränkungen bei riskanten Anwendungen wie Social Scoring oder Echtzeit-Gesichtserkennung. - KI-Konvention
des Europarats
Die Schweiz plant, die Konvention des Europarats zu KI zu ratifizieren. Diese enthält Leitlinien, insbesondere zu Transparenz, Grundrechten und Verantwortlichkeit, die ins Schweizer Recht übernommen werden sollen.
Wer übernimmt Verantwortung – Akteure in der Schweiz
- Unternehmen und
Entwicklern
Wenn Firmen in der Schweiz KI-Systeme erstellen oder einsetzen, tragen sie Verantwortung für Designentscheidungen: Auswahl und Qualität der Trainingsdaten, Bias-Vermeidung, Testing und Monitoring. Sie müssen sicherstellen, dass ihre Systeme den Vorgaben des Datenschutzgesetzes genügen, also zum Beispiel Transparenz schaffen oder riskante Eingriffe vermeiden.
- Geschäftsleitungen
und Governance-Strukturen
Unternehmensleitungen müssen Ethik in ihre Strategie einbinden: Leitlinien zur digitalen Ethik, Risikobewertung, Audit‐ und Prüfprozesse. Die Organisation „Innovate Switzerland“ etwa fordert in ihrem 8-Punkte-Plan unter anderem, dass Unternehmen Selbstverpflichtungen eingehen und Standards für Bewertung und Zertifizierung von KI-Systemen schaffen.
- Bund und Politik
Der Bund ist dabei, den gesetzlichen Rahmen zu gestalten. Zuständige Departemente (z. B. UVEK, EJPD, EDA) arbeiten an Gesetzesentwürfen beziehungsweise Vernehmlassungsvorlagen, die auch sektorübergreifende Regeln umfassen sollen, zum Beispiel bei Gesundheit, Verkehr oder Datenschutz. Durch die Ratifikation der KI-Konvention und durch Anpassungen des Rechtsrahmens wird eine wichtige Rolle übernommen.
- Öffentliche
Kontrolle, Forschung und Zivilgesellschaft
Organisationen wie der EDÖB (Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter) geben Richtlinien heraus, kontrollieren die Einhaltung der Datenschutzvorgaben und weisen auf Risiken wie Überwachung oder diskriminierende Systeme hin. Studien und Forschung zur Transparenz und Fairness (z. B. im Bereich Arbeitsmarktprofiling) liefern wichtige Einsichten.
- Betroffene
Nutzer und Gesellschaft
Nutzer haben Rechte: Auskünfte, Widerspruch gegen bestimmte Anwendungen, Transparenz über Datennutzung etc. Diese Rechte ergeben sich aus dem Datenschutzgesetz. Auch gesellschaftlicher Diskurs (Medien, NGOs) ist wesentlich, um Bewusstsein zu schaffen und Missstände aufzuzeigen.
Beispiele und Herausforderungen in der Schweiz
- Profiling im
Arbeitsmarkt
Neue Studien zeigen, dass Arbeitsmarktbehörden zunehmend statistisches Profiling verwenden, um Langzeitarbeitsrisiken vorherzusagen. Opaque Modelle werfen Fragen zur Fairness und Nachvollziehbarkeit auf. Forschung legt nahe, dass interpretable Modelle fast genauso gut funktionieren und besser zur Verantwortlichkeit beitragen.
Fazit
In der Schweiz
liegt die Verantwortung für ethisch einwandfreie Algorithmen nicht allein bei
einem Akteur.
Es braucht:
Es braucht:
- Unternehmen, die von Anfang an ethische Prinzipien integrieren
- klare gesetzliche Rahmenbedingungen, die Transparenz, Datenschutz und Nichtdiskriminierung gewährleisten
- Behörden und Zivilgesellschaft, die Kontrolle übernehmen und öffentlich wachsam sind
- Betroffene, die ihre Rechte kennen und einfordern.
Quellen:
- „So betrifft
das Schweizer Datenschutzgesetz KI‑Anwendungen“, IT‑Markt. it-markt.ch
- Medienmitteilung: „KI‑Regulierung: Bundesrat will Konvention des Europarats ratifizieren“. Der Bundesrat, Schweiz, 12. Februar 2025. Bundesverwaltung Schweiz
«digitaljournal.ch»
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