Zwischen Freiheit und der unsichtbaren Kontrolle
Die Digitale Souveränität
Lesezeit:            5 Min.
Publikation:       30. Oktober 2025, Jonathan Schönholzer
Digitale Technologien sind längst zu einem festen Bestandteil unseres Alltags geworden. Wir kommunizieren, arbeiten, bezahlen und lernen online, oft, ohne genau zu wissen, wo unsere Daten gespeichert werden, wer darauf zugreift und wie sie genutzt werden. Mit jedem Fortschritt in der Kommunikationstechnologie wächst nicht nur die Vernetzung, sondern auch die Gefahr: die schleichende Massenüberwachung.
In einer Zeit, in der Daten zum neuen Rohstoff geworden sind, steht die Frage der digitalen Souveränität im Zentrum gesellschaftlicher und politischer Debatten, auch in der Schweiz.
Was bedeutet digitale Souveränität?
Digitale Souveränität beschreibt die Fähigkeit eines Staates, einer Organisation oder eines Individuums, digitale Technologien selbstbestimmt, sicher und unabhängig zu nutzen. Es geht darum, Kontrolle über Daten, Infrastrukturen und digitale Prozesse zu behalten, statt sich in Abhängigkeiten von grossen Technologiekonzernen oder fremden Staaten zu begeben.
Für die Schweiz, die sich gerne auf ihre Neutralität und Unabhängigkeit beruft, ist dieses Thema besonders relevant. Doch die Realität zeigt: Auch hier sind viele digitale Dienste, Cloud-Anbieter und Kommunikationsplattformen in der Hand internationaler Unternehmen, meist aus den USA oder China.
Technologische Fortschritte und die Kehrseite der Medaille
Mit dem Aufstieg von Künstlicher Intelligenz, Big Data, Cloud Computing und 6G-Kommunikation eröffnen sich enorme Chancen: Effizienzsteigerung, Innovation, neue Geschäftsmodelle. Doch gleichzeitig entstehen neue Risiken. Moderne Sensoren, Kameras, Tracking-Systeme und automatisierte Datenanalysen machen es möglich, das Verhalten von Menschen in nie dagewesenem Detail zu beobachten.
Was ursprünglich zur Sicherheit, zur Verkehrsoptimierung oder zur Verbesserung von Dienstleistungen gedacht war, kann leicht zur Überwachung werden, durch Staaten, Unternehmen oder sogar private Akteure.
Die Grenze zwischen Sicherheit und Kontrolle verwischt. Systeme zur Gesichtserkennung oder Bewegungsanalyse werden weltweit eingesetzt, teils auch in demokratischen Ländern. Selbst in Europa wird über sogenannte „Chatkontrollen“ diskutiert, Überwachung privater Kommunikation im Namen der Kriminalitätsbekämpfung.
Die Schweizer Perspektive: Neutral, aber nicht unberührt
Auch in der Schweiz werden Überwachungsgesetze regelmässig angepasst. Mit der Revision des Nachrichtendienstgesetzes und der Telekommunikationsüberwachungsgesetze wächst der Spielraum der Behörden, auf digitale Daten zuzugreifen.
Unternehmen wie Proton, bekannt für datenschutzfreundliche E-Mail- und VPN-Dienste, haben bereits öffentlich auf rechtliche Unsicherheiten hingewiesen. Das zeigt, dass selbst in einem Land mit starker Datenschutztradition die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit nicht selbstverständlich ist.
Warum digitale Souveränität jetzt entscheidend ist
Digitale Souveränität ist kein technisches Nischenthema, sie ist ein Grundpfeiler demokratischer Selbstbestimmung. Wer keine Kontrolle über seine digitalen Infrastrukturen hat, verliert auf lange Sicht politische, wirtschaftliche und kulturelle Unabhängigkeit.
Für Staaten bedeutet das, in eigene digitale Kompetenzen, Rechenzentren und Verschlüsselungstechnologien zu investieren. Für Unternehmen heisst es, bewusst auf datenschutzkonforme und transparente Lösungen zu setzen. Und für jede einzelne Person bedeutet es, den Wert der eigenen Daten zu kennen und kritisch zu hinterfragen, wem man sie anvertraut.
Die Freiheit der Zukunft ist digital
Die digitale Welt bietet enorme Chancen, doch sie verlangt auch Verantwortung. Je mehr Macht Technologien über unser Leben gewinnen, desto wichtiger wird es, dass sie im Dienste der Menschen stehen, nicht umgekehrt.
Digitale Souveränität ist daher kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit, um Freiheit, Demokratie und Privatsphäre in einer zunehmend vernetzten Welt zu bewahren. Die Schweiz hat das Potenzial, hier eine Vorreiterrolle einzunehmen, durch klare Gesetze, unabhängige Infrastruktur und ein Bewusstsein dafür, dass echte Sicherheit nur dort existiert, wo Vertrauen und Transparenz herrschen.
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Bildquelle: Freepik
«digitaljournal.ch»

 
 
 
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