Der digitale Graben zwischen Alt und Jung

Ein Blick auf Nutzung, Kompetenzen und Barrieren in der Schweiz

Lesezeit:        5 Min.
Publikation:    02. Dezember 2025, Jessy Thür

In der Schweiz schrumpft der digitale Graben zwischen Jung und Alt – und doch bleibt die Kluft in bestimmten Altersgruppen und bei bestimmten Kompetenzen bestehen. Die neuesten Studien zeigen, dass viele ältere Menschen längst im digitalen Alltag angekommen sind – aber nicht immer auf Augenhöhe mit den Jüngeren.

Junge und alter Mann

Wandel in der Internetnutzung älterer Generationen

Eine aktuelle Studie von Pro Senectute („Digital Seniors 2025“) zeigt: „Neun von zehn Personen über 65 Jahren nutzen das Internet“. Das ist ein enormer Anstieg im Vergleich zu früheren Erhebungen. Bei den 65- bis 74-Jährigen haben 88 Prozent grundlegende digitale Kompetenzen, bei den 75- bis 84-Jährigen sind es noch 71 Prozent – ab 85 Jahren sinkt die Rate allerdings deutlich auf 43 Prozent.

Auch das Bundesamt für Statistik und die Gesundheitsforschungsstelle Obsan liefern wichtige Einsichten: In ihrem Bericht zur älteren Wohnbevölkerung zeigt sich, dass die Nutzung von Internet als Quelle für Gesundheitsinformationen mit zunehmendem Alter stark abnimmt. Zusätzlich betonen die Autoren Bildungsgrad, Einkommen und Herkunft als wichtige Einflussfaktoren auf die Internetnutzung im Alter.

Wo bleibt die Kluft?

Trotz dieser Fortschritte: Der digitale Graben ist nicht vollständig verschwunden. Bei sehr alten Menschen (insbesondere ab 80 Jahren) ist die Internetnutzung deutlich geringer – und diese Gruppe bleibt oft abgekoppelt. In früheren Studien (zum Beispiel „Digital Senior 2020“) beklagten viele Nicht‑Nutzer unter den Senioren Sicherheitsängste, komplexe Bedienung und mangelnden Nutzen.

Auch in Bezug auf digitale Teilhabe bleibt ein Gefühl der Ausgrenzung: Laut einer Langzeitstudie der Universität Zürich fühlen Menschen über 70 seltener, dass sie „Teil der Informationsgesellschaft“ sind, verglichen mit jüngeren Generationen. Selbst bei Künstlicher Intelligenz (KI) bestehen grosse Unterschiede: Fast die Hälfte der 14‑ bis 19-Jährigen nutzt generative KI regelmässig, bei über 70-Jährigen tun dies nur rund 20 Prozent – viele fühlen sich damit nicht wohl.

Neue Chancen – aber auch Risiken

Der digitale Wandel eröffnet älteren Menschen neue Möglichkeiten: Kommunikation mit der Familie, Online-Shopping, Telemedizin, digitale Behördengänge. Schon heute kaufen viele Senioren über das Internet ein, erledigen Bankgeschäfte online und holen Gesundheitsinformationen digital ein.

Doch der Wandel bringt auch Risiken mit sich. Wenn digitale Angebote stärker werden, besteht die Gefahr von Exklusion, insbesondere für jene, die Kompetenzlücken haben oder sich vor Technik fürchten. In der Pro-Senectute-Studie wird betont, dass gezielte Angebote weiter nötig sind, damit ältere Menschen nicht den Anschluss verlieren.

Gleichzeitig gibt es eine Kehrseite bei den Jüngeren: Die intensive Internetnutzung führt zu digitaler Überlastung. In der Langzeitstudie der Uni Zürich sagt ein hoher Anteil von Jugendlichen, sie würden ihre Nutzungszeit gerne reduzieren. Hier liegt der Graben nicht in mangelnder Teilhabe, sondern in psychosozialen Herausforderungen – „digitales Wohlbefinden“ wird zunehmend relevant.

Warum es trotzdem wichtig ist, Brücken zu bauen

  • Chancengleichheit: Auch ältere Menschen müssen an der digitalen Gesellschaft teilhaben können. Das heisst nicht nur Zugang, sondern auch Kompetenzförderung – etwa durch Schulungen, Nachbarschaftsprojekte oder generationenübergreifende Treffpunkte.

  • Sicherheit: Mit zunehmender Digitalisierung steigen auch die Risiken (zum Beispiel im Bereich Datenschutz, Betrug, Online-Sicherheit). Gerade Menschen mit wenig digitalen Vorkenntnissen benötigen Unterstützung, um sich sicher zu bewegen.

  • Wohlbefinden: Digitale Isolation kann auch psychosoziale Folgen haben. Ältere, die nicht online sind, könnten wichtige soziale Kontakte und Informationsquellen verpassen.

  • Nachhaltige Integration: Es genügt nicht, dass Ältere „einmal ins Netz gehen“ – der Wandel muss nachhaltig sein. Angebote sollten auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sein: einfache Interfaces, verständliche Anleitungen, Anlaufstellen für Fragen.

Brücken statt Barrieren: Wege zu einer inklusiven digitalen Gesellschaft

Der digitale Graben zwischen Alt und Jung in der Schweiz ist kleiner geworden – das belegen aktuelle Studien eindrücklich. Aber er ist nicht verschwunden. Während viele Senioren heute online sind, gibt es gerade bei den Ältesten noch Hürden – und bei den Jüngeren tauchen neue Herausforderungen rund um digitale Nutzung und Überlastung auf. Für eine inklusive digitale Gesellschaft braucht es deshalb weiter gezielte Strategien: Zugänglichkeit, Förderung von Kompetenzen und ein Bewusstsein für die psychologischen Seiten der Digitalisierung.

Nur so kann der digitale Graben langfristig überbrückt werden – nicht durch Ausgrenzung, sondern durch Brückenbau.

Bitte beachten Sie, dass alle Angaben ohne Gewähr sind und Änderungen vorbehalten bleiben. Wir empfehlen, aktuelle Informationen direkt auf den jeweiligen Webseiten einzusehen.

Bildquelle: Bild vom vwalakte auf Freepik

«digitaljournal.ch»

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