Was Schweizer Bergbahnen der IT beibringen können

Digitale Erfolgsfaktoren aus den Alpen für nachhaltige IT-Strategien

Lesezeit:         5 Min.
Publikation:     31. Dezember 2025, Jessy Thür
Gondel

Die Schweizer Bergbahnen sind mehr als nur Transportmittel in alpinem Gelände. Sie stehen an der Spitze einer Branche, die sich in einem tiefgreifenden Wandel befindet – sowohl technologisch als auch strategisch. Während die IT-Welt oft als Vorreiter der Digitalisierung gilt, können IT-Unternehmen von den Bergbahnen wertvolle Lehren ziehen: zu Innovation unter begrenzten Ressourcen, Kundenzentrierung, resilienter Planung und pragmatischen Technologieeinsätzen.

Innovation trotz geografischer und personeller Herausforderungen

Bergbahnen operieren in extremen Umgebungen: hohe Lagen, variable Wetterbedingungen und saisonale Schwankungen. Gleichzeitig sind viele Bahnen kleine Unternehmen mit beschränkten personellen und finanziellen Ressourcen. Die Digitalisierung wird hier oft pragmatisch und lösungsorientiert umgesetzt, nicht als Selbstzweck, sondern im Dienst der Gäste und Abläufe.

Studien zeigen, dass kleinere Bergbahnen häufig zurückhaltend bei Digitalprojekten sind, weil IT-Personal schwer rekrutierbar ist und Investitionen gut überlegt sein müssen. Viele ziehen es vor, abzuwarten, bis Branchenlösungen bestehen, statt selbst Entwicklerteams aufzubauen.

Lektion für die IT: Nicht jede technologische Innovation muss intern entwickelt werden. Manchmal ist es effizienter, auf bewährte Standards oder Plattformlösungen aufzusetzen und so Ressourcen zu schonen.

Kundenzentrierung als digitaler Motor

Für Bergbahnen bedeutet Digitalisierung vor allem: Komfort für die Gäste erhöhen. Digitalisierung beschränkt sich nicht auf moderne Technik, sondern umfasst alle Berührungspunkte mit dem Nutzer, von der Planung bis zur Erfahrung vor Ort.

Ein aktuelles Beispiel aus Zermatt zeigt, wie ein traditionelles Wintersportgebiet die Digitalisierung nutzt: Smartphone-Tickets ersetzen physische Skipässe, und Zugangskontrollen wurden mit neuen Sensor- und Kommunikationssystemen ausgestattet. Zudem hat Zermatt sein Informationssystem mit grossen digitalen Displays modernisiert, um Gäste in Echtzeit über Betriebsstatus und Sicherheitshinweise zu informieren.

Lektion für die IT: Digitalisierung ist dann erfolgreich, wenn sie echte Nutzerprobleme löst – und nicht technisch um der Technik willen eingesetzt wird. IT-Projekte sollten daher immer an der Customer Journey ausgerichtet sein.

Umgang mit komplexer Infrastruktur und Daten

Bergbahnen betreiben komplexe physische Infrastrukturen über weite, oft schwer zugängliche Gebiete. Die Digitalisierung betrifft hier sowohl Ticketing als auch Kommunikation, Wartung, Sicherheitssysteme und Echtzeit-Betriebsdaten.

Ein modernes Beispiel ist die Lenzerheide Bergbahnen AG, die ihre gesamte Netzwerkinfrastruktur auf eine cloudbasierte Lösung mit Wi-Fi 7 umgestellt hat, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden. Diese Infrastruktur unterstützt nicht nur den Kundenservice, sondern auch Betriebsprozesse und zukünftige digitale Anwendungen.

Lektion für die IT: Systeme sollten skalierbar und flexibel sein, damit sie mit den Anforderungen wachsen können. Eine robuste Basisinfrastruktur schafft Spielraum für Innovationen, sei es bei Apps, Analytik oder IoT-Anwendungen.

Mehrwert durch Kooperation statt Alleingang

Bergbahnunternehmen arbeiten zunehmend nicht nur mit Technologieanbietern, sondern auch mit Tourismusorganisationen, lokalen Dienstleistern und Drittanbietern zusammen. PwC-Studien zeigen, dass Kooperationen heute essenziell sind, um ein ganzheitliches Erlebnis zu schaffen, Tickets, Restaurants, Unterkunft und Aktivitäten aus einer Hand digital buchbar zu machen.

Lektion für die IT: Komplexe digitale Ökosysteme leben von Partnerschaften. IT-Organisationen können von dieser Perspektive lernen, indem sie offene Schnittstellen, APIs und Kooperationsmodelle fördern, statt in proprietäre Insellösungen zu investieren.

Digitalisierung als Werkzeug, nicht als Selbstzweck

Trotz aller Vorteile ist die Digitalisierung bei Bergbahnen kein Selbstzweck. Viele kleinere Bahnen setzen bewusst nicht überall auf Automatisierung, sondern behalten einen persönlichen Service bei, um ein bewusstes, entschleunigtes Erlebnis zu bieten. Diese Balance zwischen digitaler Effizienz und menschlicher Interaktion ist entscheidend.

Lektion für die IT: Technologie kann und soll Prozesse optimieren – aber sie darf die Nutzererfahrung nicht entmenschlichen. Gerade in sensiblen Bereichen wie Service und Support bleibt der Mensch ein zentraler Faktor.

Resilienz und adaptive Planung

Schliesslich zeichnen sich Bergbahnen durch langfristige Planung und resiliente Entscheidungsprozesse aus. Infrastruktur-Investitionen haben oft Lebenszyklen von mehreren Jahrzehnten, und digitale Strategien müssen daher nachhaltig und zukunftssicher gestaltet werden.

Lektion für die IT: IT-Strategien, die nur kurzfristige Trends verfolgen, laufen Gefahr, schnell veraltet zu sein. Nachhaltige Planung ist ebenso wichtig wie Agilität – besonders wenn Systeme in kritischen Umgebungen eingesetzt werden.

Digitale Lehren aus den Alpen

Schweizer Bergbahnen zeigen, wie Digitalisierung praktisch, kundenorientiert und nachhaltig gestaltet werden kann, auch unter schwierigen Rahmenbedingungen. Für IT-Organisationen heisst das: Fokus auf echte Nutzerprobleme, kooperative Ökosysteme, robuste Infrastruktur und resiliente Planung. Die Berge lehren uns, dass nicht jede Lösung neu erfunden werden muss, sondern dass Pragmatismus, Partnerschaft und Perspektive der Schlüssel zur erfolgreichen Digitalisierung sind.

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«digitaljournal.ch»

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